Blitzporträt

Was hat Dich zum Schach gebracht?

Wie viele andere habe ich Schach von meinem Vater erlernt. Zunächst fand ich es zu kompliziert und war nicht besonders angetan. Nach ein paar Jahren merkte ich, dass ich eine realistische Chance hatte, meinen sonst in vielen Bereichen überlegenen großen Bruder zu besiegen. Mit ca. 8 Jahren hat es mich endgültig gepackt, da war ich zum ersten Mal im Schachfieber und konnte rasch regelmäßig meinen Bruder schlagen. Um meinen Vater zu besiegen – für mich hatte es den Anschein, er könnte um den Weltmeistertitel kämpfen –, hat es aber noch etwas gebraucht.

Was begeistert Dich am Schach?

Ich habe ganz früh begriffen, dass es im Schach auf andere Fähigkeiten ankommt. Man begegnet als kleines Kind einem Erwachsenen auf Augenhöhe. Herkunft, Alter, Geschlecht und sozialer Hintergrund spielen eine untergeordnete Rolle.

Die Vielfalt, die Schach bietet, ist ebenfalls gewaltig. Schach ist Spiel, Spaß, Sport, Wissenschaft, Kultur, Kunst, … man könnte die Liste ewig fortsetzen.

Wie bist Du zum 1. SK Ottakring gekommen?

2011 hat sich mein früherer Verein praktisch aufgelöst, was aus meiner Sicht in erster Linie auf strukturelle Versäumnisse und mangelnde Jugendarbeit zurückzuführen war. Ich wollte zu einem Verein, bei dem Jugendarbeit ganz groß geschrieben wird, das war mein wichtigstes Kriterium. Ottakring, schon lange und überall für die erfolgreiche Jugend bekannt, war gerade in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Harald Schneider-Zinner hat mir ein gutes Brett angeboten und ich durfte sogar das Kinder- und Jugendtraining leiten. Nicht zuletzt bin ich um die Zeit mit meiner jetzigen Frau zusammengekommen, die ganz in der Nähe des Spiellokals gewohnt hat. Es hat alles perfekt gepasst.

Wie würdest Du das Verhältnis zu Deinen Vereinskollegen und -kolleginnen beschreiben?

Super, freundschaftlich über alle Altersgrenzen hinweg! Eine gesunde sportliche Konkurrenz, die uns alle motiviert, ist definitiv vorhanden.

Was macht für Dich das Besondere am 1. SK Ottakring aus?

Die konstante Arbeit mit Kindern und Jugendlichen trägt nach vielen Jahren nun Früchte. Es können nicht viele behaupten, dass sie in der höchsten Liga mit Spielern, die teilweise schon seit dem Kindergarten in der eigenen Kaderschmiede herangezogen wurden, teilnehmen.

Dass wir aber mit Frauen- und Breitenschach auch weitere Schwerpunkte setzen, zeigt die Vielfalt, die wir bieten. Ich denke, dass der Verein in vielerlei Hinsicht einzigartig ist und etwas bietet, das es sonst nirgends gibt.

Was war Dein schönstes Erlebnis mit dem 1. SK Ottakring?

Jedes Bundesliga-Wochenende ist immer ein besonderes Erlebnis. Als Hobbyspieler ist es etwas Spezielles, die nationale und internationale Spitze zu erleben. Meistens kommt aber auch der Spaß mit den Mannschaftskollegen nicht zu kurz.

Der 1. SK Ottakring fördert insbesondere das Kinder- und Jugendtraining. Inwiefern ist das für Deine Entwicklung von Bedeutung?

Meine feste Überzeugung ist, dass ohne Jugend ein Verein langfristig nicht funktionieren kann. Ich bin froh, dass ich ein Jahr lang das Training leiten durfte und mein Wissen an die Kinder weitergeben konnte. Dass mich einige überflügelt haben und ich einen kleinen Beitrag dazu leisten konnte, macht mich ein bisschen stolz.

Gibt es einen Mannschaftswettkampf, der Dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Viele! Ich glaub, dass jeder Wettkampf, bei dem es um Mannschaftspunkte geht und man selber mit einem Gewinn zu einem 3,5-2,5 Sieg beigetragen hat, einem in Erinnerung bleibt. Herausheben möchte ich einen Wettkampf: Wir spielten in der BL Ost gegen unsere frühere Spielgemeinschaft Hietzing. Mit IM Vyskocil kreuzten sich unsere Wege schon oft, gewinnen konnte ich bis dahin jedoch keine Partie. An diesem Tag gelang mir aber ein feiner, schöner, lang ausgespielter Sieg mit Schwarz und wir starteten erfolgreich in die neue Saison.

Welchen Modus bevorzugst Du und warum? (Schnell-, Blitz-, Standardschach, Chess960)

Früher war ich ein super Blitzer, mittlerweile bevorzuge ich eher das Turnierschach. Ich mag es, mich in Stellungen zu vertiefen und eine saubere Partie zu liefern. Natürlich ist eine Turnierpartie ziemlich lang und so komm ich leider zu relativ wenigen Partien.

Auf welche eigene Leistung bist Du besonders stolz und warum?

Wahrscheinlich ist es mein Sieg gegen Niki Stanec in der Betriebsliga im Februar 2019. Im herkömmlichen Sinn hatte ich wohl vorher alles falsch gemacht. Ich hatte vier Wochen zuvor absolut nichts für Schach gemacht, hatte mich nicht vorbereitet und kam nach einem langen Arbeitstag 15 Minuten zu spät zur Partie. So konnte ich aber befreit aufspielen, Niki von Anfang an unter Druck setzen, seinem frühen Remisangebot widerstehen und konsequent weiterspielen. Nach einem langen Kampf konnte ich mit einer gefühlten 10-jährigen Verspätung meinen ersten Großmeister in einer Turnierpartie besiegen. Ich glaube, es war seine einzige Niederlage 2019.

Was war Deine beste Partie/Deine Lieblingskombination/Dein schönster Zug?

Früher war ich wild auf der Suche nach taktischen Komplikationen. Eine schöne Partie gelang mir auch gegen Siegi Baumegger in Aschach 2019. Nach einem unscheinbaren Springerrückzug in die Ecke (20.Sh1) wurde ihm erst klar, was ich vorhatte. Mittlerweile find ich oft ruhige Züge mit einer Idee dahinter, die schöner ist als taktische Einschläge.

Hast Du ein Lieblingsturnier?

Ich fand die Turniere in Oberwart super. Die Dichte und Qualität an Schachspielern mit vielen internationalen Titelträgern war die erste, die ich so erlebt habe. Aber auch das Soziale, nicht zuletzt aufgrund der Unterkunft im Internat, war einzigartig. Sehr schade, dass die Turniere nicht mehr stattfinden.

Hast Du ein besonderes Ritual vor einer Partie?

Am liebsten hab ich es, wenn ich vor einer Partie zu einer Joggingrunde komme, weil ich mich dann so frisch fühle. Ich schaff es aber nur recht selten.

Mit welchen Gefühlen gehst Du in eine Partie?

Oft bin ich am Anfang einer Partie nervös, nach kurzer Zeit ist die Nervosität aber weg.

Was ist aus Deiner Sicht wichtig, damit eine Partie gelingt?

Nicht lockerlassen, genau und konsequent zu Ende spielen.

Welche Eigenschaften sollte ein Schachspieler/eine Schachspielerin idealerweise haben?

Konzentration, Kreativität, Präzision, Ausdauer, Sitzfleisch und unbedingten Siegeswillen.

Wer sind Deine großen schachlichen Vorbilder?

Garry Kasparow – was auf der Hand liegt, da er Weltmeister war, als ich anfing, mich für Schach zu interessieren. Aber in erster Linie aufgrund seiner ungewöhnlichen, kreativen, erfolgreichen und angriffslustigen Spielweise.

Welche ist die beeindruckendste Schachpartie, die Du jemals gesehen hast?

Nigel Short gegen Jan Timman, 1991, mit der Königswanderung nach h6 fand ich schon eh und je faszinierend.

Welche Bedeutung würdest Du der Förderung von Frauen zuschreiben?

Ich find’s super, dass in letzter Zeit viele Aktionen entstanden sind, um Frauenschach zu fördern. Ich bin froh, dass Frauenschach eine der Säulen bei unserem Verein darstellt und wir nun sogar zwei Frauen im Vorstand haben. Ich denke, dass sich in den nächsten Jahren vieles in diesem Bereich entwickeln wird.

Wieso spielen aus Deiner Sicht weniger Frauen Schach als Männer?

Ich denke, darauf kann man keine kurze und gute Antwort geben. Ich finde die Ansätze, die im Buch zum Frauenschachkongress diskutiert werden, alle einleuchtend. Wahrscheinlich ist es ein Produkt aus vielen kleinen Faktoren. Ich persönlich finde die Begründung, dass Frauen zu vernünftig sind, um einem solchen Spiel derart zu verfallen, recht gut.

Was ist Dein (nächstes) großes Ziel?

Seit ca. zehn Jahren fehlt mir nicht viel auf den FM-Titel, mal mehr, mal weniger. Es wäre höchste Zeit, ihn endlich zu erlangen. Aber momentan genieße ich es eher, mit meinen Söhnen Schach zu spielen und an ihrem Schach statt an meinem zu arbeiten.

Was würdest Du Deinem jüngeren Schachspieler-Ich raten?

Geh immer in jede Partie mit der Motivation, dass du jeden Gegner schlagen kannst. All deine Gegner, gilt auch für GM, kochen auch nur mit Wasser.

Welche drei Schachbücher kannst Du empfehlen?

Für mich gibt es ein Buch, das in meiner Entwicklung über alle anderen herausragte und das ich deswegen uneingeschränkt empfehlen kann: „Schach verstehen Zug um Zug“ von John Nunn. Durch seine ausführlichen Erläuterungen habe ich so viel mehr verstanden und es hat alles auf einmal Sinn ergeben. Nachdem ich das Buch verschlungen hatte, hatte ich in der nächsten Eloliste 200 Elo mehr. Generell denke ich, dass Bücher mit mehr Text besser sind als die mit mehr Varianten.

Und zuletzt: Womit beschäftigst Du Dich, wenn Du gerade nicht Schach spielst/trainierst?

Da wird mir echt nicht schnell langweilig. Neben meiner Familie mit zwei Kindern sowie einem herausfordernden Job geh' ich gerne laufen und ab und zu komm' ich noch zum Singen in meinem Chor, der Wiener Singakademie.